BGH: Zu den Grenzen eines befristeten Kündigungsausschlusses

In seinem Urteil vom 08.12.2010 - VIII ZR 86/10, WuM 2011, 35 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein formularmäßiger wechselseitiger Kündigungsausschluss wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist, wenn der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann, vier Jahre überschreitet.

In seinem Urteil vom 08.12.2010 - VIII ZR 86/10, WuM 2011, 35 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein formularmäßiger wechselseitiger Kündigungsausschluss wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist, wenn der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann, vier Jahre überschreitet. Hierbei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung, sondern auf den frühestmöglichen Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Mietverhältnisses an.

Der Entscheidung lag folgender Rechtsstreit zugrunde: Am 27. Juni 2005 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über eine Wohnung.

In § 2 des Mietvertrages wurde bestimmt:
"1. Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und beginnt am 1. Juli 2005.
2. Die Parteien verzichten in Übereinstimmung mit BGH-Urteil Az. VIII ZR 27/04
wechselseitig auf die Dauer von 4 (vier) Jahren ab Vertragsbeginn auf ihr
Recht zur ordentlichen Kündigung dieses Mietvertrages. Eine Kündigung ist
erstmalig nach Ablauf dieses Zeitraums mit der gesetzlichen Frist zulässig.
3. Sollte sich für den Mieter die Notwendigkeit ergeben, vor Ablauf der vier Jahre
gemäß Ziffer 2. auszuziehen, ist er berechtigt gemäß Individualvereinbarung,
welche dem vorliegenden Vertrag ergänzend beigefügt ist, einen zumutbaren
Nachmieter zu stellen."

Der Mieter kündigte nun das Mietverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 zum Ablauf des 30. Juni 2009. Der Vermieter wies die Kündigung unter Hinweis auf die Bestimmungen des Mietvertrages zurück. Hieraufhin klagte der Mieter auf Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 30. Juni 2009 beendet worden sei. Der BGH entschied nun, dass der in § 2 Nr. 2 des Mietvertrages vereinbarte Kündigungsausschluss gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei, da der Mieter unangemessen benachteiligt werde, sofern die Klausel formularmäßig vereinbart worden sei. Zwar sei es grundsätzlich möglich, einen zeitlich begrenzten Kündigungsausschluss auch formularmäßig zu vereinbaren. Der Mieter werde durch einen solchen Kündigungsausschluss jedoch regelmäßig unangemessen benachteiligt, wenn der Kündigungsausschluss einen Zeitraum von vier Jahren überschreite. Auch die Möglichkeit, einen geeigneten Nachmieter zu stellen, gleiche diese Benachteiligung nicht hinreichend aus. Der zulässige Zeitraum orientiere sich an der Regelung des § 557a Abs. 3 BGB. Daher dürfe der Kündigungsausschluss einen Zeitraum von vier Jahren zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden könne, nicht überschreiten. Die vorliegende Klausel sei somit unwirksam, sofern es sich um eine formularvertragliche Vereinbarung handle, weil die Dauer der tatsächlichen Bindung aufgrund der einzuhaltenden Kündigungsfrist einen Zeitraum von vier Jahren überschreite.


Rechtsanwalt Eric Lindner

Kurzanmerkung:
Die Konsequenz dieser Entscheidung lässt sich auf die kurze Formel bringen: "Vier Jahre und keinen Tag länger" (Breiholdt, F.A.Z. vom 28.01.2011, S. 42). Die Ausführungen des BGH, der maßgeblich auf § 557a Abs. 3 BGB zurückgreift, sind missverständlich (Schach, GE 2011, 87). § 557a Abs. 3 BGB betrifft unmittelbar nur die Staffelmiete, die hier im konkreten Fall nicht vorlag. Dennoch zieht der BGH diesen Rechtsgedanken heran. Die maximale Bindungsdauer an den Vertrag darf nur vier Jahre, und zwar beginnend ab Vertragsunterzeichnung, betragen. Dies ist in der Praxis zukünftig zu beachten.

Sollte in vorhandenen Mietvertragsformularen eine entsprechende Kündigungsausschlussklausel existieren, sollte diese dringend überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. In einer Formularklausel darf jedenfalls nicht mehr explizit auf den Vertragsbeginn als Beginn für die Kündigungsausschlussdauer abgestellt werden. Eher ist zu empfehlen, den Vertragsschluss als maßgeblich zu vereinbaren (so auch Wagner, IMR 2011, 48).

Demgegenüber hat der BGH unlängst entschieden, dass eine sog. Individualvereinbarung, in der die Mietvertragsparteien "wechselseitig für die Dauer von 10 Jahren ab Vertragsbeginn auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung verzichten", wirksam ist (BGH, Urt. v. 13.10.2010 - VIII ZR 98/10, NZM 2011, 28, 29 Rdnr. 25). Individualvereinbarungen kommen in der Praxis jedoch selten vor (dazu aktuell Lehmann-Richter, NZM 2011, 57 ff.).


RA Eric Lindner

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