Mietentwicklung in Leipzig seit 1994

In regelmäßigen Abständen wird in der „Leipziger Volkszeitung“ über den regionalen Mietwohnungsmarkt berichtet. Die sich auffällig ähnelnden Überschriften wie „Angebotsmieten steigen um 5 Prozent pro Jahr“ (24.01.2019) oder „Mieten in Leipzig steigen am meisten“ (18.11.2017) vermitteln ein sehr einseitiges Bild vom Mietwohnungsmarkt.

In regelmäßigen Abständen wird in der „Leipziger Volkszeitung“ über den regionalen Mietwohnungsmarkt berichtet. Die sich auffällig ähnelnden Überschriften wie „Angebotsmieten steigen um 5 Prozent pro Jahr“ (24.01.2019) oder „Mieten in Leipzig steigen am meisten“ (18.11.2017) vermitteln ein sehr einseitiges Bild vom Mietwohnungsmarkt. Getoppt werden derartige Botschaften durch Überschriften wie „Stadtflucht gegen steigende Mieten“ (26.04.2017). Zu beobachten ist – sicher unterstützt durch derartige Botschaften – eine gewisse, bisweilen an Panik grenzende Unruhe bei einigen Marktteilnehmern, so zum Beispiel bei der Stadtverwaltung und natürlich der Mieterseite.

Bei sachlicher Betrachtung der Situation ergibt sich ein – von Panik sehr weit entferntes – etwas relativiertes Bild vom örtlichen Mietwohnungsmarkt. In den zahlreichen Berichterstattungen zum Thema fällt – bei genauer Betrachtung – auf, dass diese sich überwiegend auf sehr kurze Betrachtungszeiträume wie „…im vergangenen Jahr“ oder „in den letzten 3 Jahren“ beziehen (LVZ 27.01.2017). Diagramme, die den Mietanstieg veranschaulichen, beginnen meist Mitte der 2000er Jahre (LVZ 23.03.2017).

Beginnt man die „neue“ Zeitrechnung am Leipziger Immobilienmarkt mit 1990, so erreicht dieser im nächsten Jahr ein stolzes Alter von 30 Jahren – mit einigen Höhen und Tiefen. Dieses Alter verdient natürlich, gänzlich betrachtet zu werden. Das ist jedoch nicht ganz einfach. Vor 30 Jahren gab es noch keine Immobilienportale, die auf Knopfdruck zahlreiche immobilienmarktspezifische Informationen wie Angebotszahlen, Flächen, Preise und eben auch Preisentwicklungen liefern konnten. So erklärt sich auch die dominierende zeitliche Basis der Verfolgung und Auswertung der Mietpreisentwicklung mit (frühestens) Mitte der 2000er Jahre. Dieser Zeitraum zwischen Anfang und Mitte der 2000er Jahre fiel nun mit dem bis dahin traurigen Tiefpunkt am Leipziger Immobilienmarkt zusammen. So war in der LVZ vom 2. März 2000 zu lesen: „Immobilienmarkt in Leipzig trotz Lichtblicken an Boden“.

Zur Erinnerung, durch den steuerlich induzierten Bauboom der 1990er Jahre (Fördergebietsgesetz) stand im Jahr 2000 allein in Leipzig die heute unvorstellbare Zahl von etwa 83.000 Wohnungen leer. Diesem Überangebot von Wohnungen folgte – auf Grund marktwirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten – eben auch das Preisniveau am Mietwohnungsmarkt (wie im Diagramm zu sehen ist).

Wählt man nun für statistische Betrachtungen als Basis einen derartigen (bis dahin) historischen Tiefpunkt, ist eine Erholung des Preisniveaus auf mittel- bis langfristige Sicht nicht völlig unwahrscheinlich. Das daraus resultierende Bild zeigt zwar dann auch die „Wahrheit“, aber eben nicht die „Ganze“. Die „Anfänge“ statistischer Erhebungen zum regionalen Mietmarkt reichen bis etwa 1994 zurück. In den Jahren davor gab es kaum auswertbare Mengen an Wohnungsangeboten. Etwa in dieser Zeit begann der Ring Deutscher Makler (heute Immobilienverband Deutschlands) mit der jährlichen Veröffentlichung von entsprechenden Zahlen. Zur damaligen Zeit spielte sich der „Vermietungsmarkt“ – aus Mangel anderer Medien – zum überwiegenden Teil in der „Leipziger Volkszeitung“ ab. Im August 1994 wurden auf den Immobilienseiten der LVZ knapp 100 Wohnung zur Vermietung angeboten, die durchschnittliche Miete lag bei DM 16,28/ m² Wohnfläche bzw. heute € 8,32/ m² Wohnfläche. In den folgenden 5 Jahren bis 1999 kannte die Mietentwicklung nur eine Richtung – nach unten. Gründe waren die enorme Bau- und Sanierungstätigkeit verbunden mit einer Abnahme der Bevölkerung.

Zur Erinnerung, die heute zitierte „Stadtflucht“ („gegen steigende Mieten“) gab es damals auch schon. Viele Stadtbewohner zogen in die Umlandgemeinden wie Althen, Borsdorf, Machern, Günthersdorf oder Lausen, da dort das Angebot an – damals offensichtlich erstrebenswerten – Neubauwohnungen schneller stieg als in der Stadt. So wurden 1994 beispielsweise Wohnungen im 11 km entfernten Machern zu € 7,85/ m² Wohnfläche angeboten (LVZ vom 08.12.1994). Die Wohnungen wurden in der Regel (zu dieser Zeit) auf Grund der großen Nachfrage bereits vor Fertigstellung vermietet, oft noch mit einer Staffelmietvereinbarung. Damals sprach man noch nicht von „Gentrifizierung“, die Menschen wollten einfach eine „neue“ Neubauwohnung.

Ein ähnlicher Prozess ist heute im Gange, jetzt verlassen – überwiegend jüngere – Menschen die Stadt in Richtung Umlandgemeinden um sich aus Mangel an innerstädtischen Angeboten ein Einfamilienhaus zu kaufen. In den folgenden Jahren bis etwa 2006 gab das Mietniveau weiter leicht nach und pegelte sich zwischen € 4,50 und € 5,00/m² Wohnfläche ein, dieses Mietniveau wurde durch die Höhe der „Sozialmieten“ (KDU) gestützt. Ab 2007 kam es dann – in Folge des beginnenden Einwohnerzuwachses (in Verbindung mit Rückbaumaßnahmen am Wohnungsbestand) zu einer zarten Erholung am Mietmarkt, die ab etwa 2012 auf Grund der positiven Einwohnerentwicklung in einen stetigen (Wieder-) Anstieg mündete, der bis heute anhält. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Entwicklung der Wohnungs(angebots)mieten, so wie sie von 1994 bis 1999 in der LVZ veröffentlicht wurden (Zahlen jeweils aus dem 2. Halbjahr); ab dem Jahr 2000 Durchschnittszahlen aus vom Immobilienverband Deutschlands (damals noch Ring Deutscher Makler) veröffentlichter Mieten.

Dirk Loose

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