Die Betriebskostenabrechnung nach dem Abflussprinzip – Chance für den Vermieter?

Der BGH hat in zwei aktuellen Entscheidungen (BGH, Urt. v. 20.02.2008 - VIII ZR 49/07, GE 2008, 471 und BGH, Urt. v. 20.02.2008 - VIII ZR 27/07, GE 2008, 662) geurteilt, dass auch die Kostenerfassung nach dem Abflussprinzip in einer Betriebskostenabrechnung zulässig ist. Im Anschluss an diese Entscheidungen stellen sich viele neue Fragen für den Vermieter. Wie ist zu reagieren?

Die Betriebskostenabrechnung nach dem Abflussprinzip ?
Chance für den Vermieter?

Anmerkung zu BGH, Urt. v. 20.02.2008 - VIII ZR 49/07, GE 2008, 471 und BGH, Urt. v. 20.02.2008 -VIII ZR 27/07, GE 2008, 662


1. Die BGH-Entscheidungen zum Abflussprinzip
Der BGH hat in zwei aktuellen Entscheidungen (BGH, Urt. v. 20.02.2008 - VIII ZR 49/07, GE 2008, 471 und BGH, Urt. v. 20.02.2008 - VIII ZR 27/07, GE 2008, 662) geurteilt, dass auch die Kostenerfassung nach dem Abflussprinzip in einer Betriebskostenabrechnung zulässig ist.

Das Abflussprinzip oder Prinzip der Ausgabenabrechnung stellt darauf ab, wann der Vermieter die Kosten bezahlt, unabhängig davon, wann die Leistungen in Anspruch genommen worden sind (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 10. Aufl., 2007, Rdnr. 3198). Hingegen sind beim sog. Leistungs- oder Zeitabgrenzungsprinzip nur die Kosten einzustellen, die im Abrechnungszeitraum in Anspruch genommenen oder verbraucht worden sind (Schneider, in: Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, Losebl., Stand: März 2008, C § 556 Rdnr. 308).

Nach Auffassung des BGH seien den §§ 556 ff. BGB und auch dem Willen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen, dass der Vermieter auf eine bestimmte zeitliche Zuordnung der Betriebskosten gesetzlich festgelegt sei. Darüber hinaus lasse sich aus § 556a Abs. 1 S. 2 BGB nicht herleiten, dass ausschließlich das bisher von vielen befürwortete Leistungsprinzip allein zulässig sei. Gegen die Zulässigkeit des Abflussprinzips lasse sich weiterhin auch nicht einwenden, dass dem Mieter es erschwert werde, die Kostenentwicklung über verschiedene Abrechnungszeiträume zu vergleichen. Vielmehr erleichtere eine Betriebskostenabrechnung auf Grundlage des Abflussprinzips, dass der Vermieter derartige Kosten kontrollieren könne. Anhand des Fälligkeitsdatums einer Rechnung könne ein Mieter unproblematisch feststellen, ob ein in die Betriebskosten eingestellter Betrag zum zugrunde gelegten Abrechnungszeitraum gehöre. Nach dem BGH erleichtere eine Betriebskostenabrechnung auf Grundlage des Abflussprinzips für den Vermieter die Erstellung der Abrechnung, insbesondere wenn der Zeitraum über den ein Versorger abrechnet, nicht mit dem Abrechnungszeitraum übereinstimme. Gewisse Ungenauigkeiten seien hinzunehmen. Allerdings seien nach dem BGH besonders in besonders gelagerten Fällen eines Mieterwechsels nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Ausnahmefälle denkbar, über die der BGH nicht entscheiden musste.

2. Offene Fragen
Die Entscheidungen des BGH werfen eine Reihe von neuen Fragen auf, weshalb gerade für Vermieter derzeit keine Rechtssicherheit besteht. Fraglich ist, ob der Vermieter dadurch, dass er bisher immer in einer bestimmten Abrechnungsweise (z. B. Leistungsprinzip) abgerechnet hat, daran rechtlich gebunden ist. Im ersten Schritt wird man hier prüfen müssen, ob eine bestimmte Abrechnungsmethode mietvertraglich vereinbart ist, was allerdings selten in der Praxis anzutreffen ist. Eher ist wahrscheinlich, dass dem Vermieter mietvertraglich gestattet ist, auch zu einer Abrechnung auf der Basis des Abflussprinzips überzugehen.

Ist mietvertraglich nichts vereinbart, ist der Vermieter nach der hier vertretenen Auffassung nicht daran gebunden, auch zukünftig so zu verfahren, auch wenn er über einen langen Zeitraum, ausschließlich nach einer bestimmten Abrechnungsmethode abgerechnet hat (Schmid, DWW 2008, 162). Dem steht die jüngste Rechtsprechung des BGH entgegen, wonach sich der Vermieter mit einer Betriebskostenabrechnung grundsätzlich nicht auf bestimmte Abrechnungsmodalitäten festlegt (BGH, NZM 2007, 769; Schmid, a. a. O.). Bei der Abrechnung von Betriebskosten handelt es sich in erster Linie um eine Wissenserklärung des Vermieters.

Problematisch ist auch, ob das Abflussprinzip auch im Rahmen einer Heizkostenabrechnung, für die die Heizkostenverordnung gilt, zugrunde gelegt werden darf. Der BGH hat dies in einer aktuellen Entscheidung ausdrücklich offen gelassen (BGH, Urt. v. 30.04.2008 - VIII ZR 240/07).

Im Einzelnen heißt es im BGH-Urteil:

?Es kann dahingestellt bleiben, ob auch Heizkosten nach dem Abflussprinzip abgerechnet werden können oder ob dem die Vorschrift in § 6 Abs. 1 HeizkV entgegensteht, nach der die Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser auf der Grundlage einer Verbrauchserfassung nach §§ 7 bis 9 HeizkV auf die einzelnen Nutzer zu verteilen sind? (BGH, Urt. v. 30.04.2008 - VIII ZR 240/07, Rdnr. 16).

Schließlich ist auch zweifelhaft, ob der Vermieter in einer Betriebskostenabrechnung erläutern muss, ob und hinsichtlich welcher Kostenpositionen der Abrechnung das Leistungsprinzip oder das Abflussprinzip zugrunde gelegt worden ist. Darüber hinaus wird problematisiert, ob der Vermieter den Wechsel der Abrechnungsmethode erläutern muss.
Welche Konsequenzen die fehlende Erläuterung in diesen Punkten hat, ist derzeit offen (vgl. Derckx, NZM 2008, 444 [445], der dies als formellen Gesichtspunkt ansieht). In einem anderen Zusammenhang hat der BGH aktuell seine Rechtsprechung konkretisiert, ob und in welchem Umfang die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung eine Erläuterung erfordert (BGH, Urt. v. 28.05.2008 - VIII ZR 261/07, Rdnr. 11 ff.). Danach ist den an eine Betriebskostenabrechnung zu stellenden formalen Anforderungen Genüge getan, wenn die Betriebskosten aus sich heraus verständlich abgerechnet sind, auch wenn die Abrechnung auffällige Abweichungen und Schwankungen im Hinblick auf die Flächenangaben des Gesamtobjektes im Vergleich zu den Vorjahren aufweist. Nach dem BGH liegt ein formeller Fehler jedenfalls dann nicht vor, wenn die Betriebskostenabrechnung aus sich heraus verständlich ist, jedoch unabhängig davon, ob die Wohnflächen in den Abrechnungen der vergangenen Jahre differieren. Der eventuell falsche Ansatz einer Quadratmeteranzahl oder von Verbrauchsmengen ist allenfalls ein materieller Fehler der Betriebskostenabrechnung. Die gleichen Argumente des BGH kann man auch für die hier problematisierten Fragen heranziehen. Denn nach der hier vertretenen Auffassung ist es unerheblich, ob einerseits bei verschiedenen Kostenpositionen unterschiedliche Flächenangaben oder Heizölverbrauchsmengen oder eben verschiedene Abrechnungsmethoden zugrunde gelegt werden. In beiden Fällen kann der Mieter die Werte inhaltlich prüfen (lassen), ob sie zutreffend ermittelt worden sind. Aus Rechtssicherheitsgründen sollte ein Vermieter allerdings die hier genannten Verfahrensweisen in der Abrechnung erläutern. Daneben bleibt abzuwarten, wie sich die weitere Rechtsprechung entwickelt.

Eine weitere offene Frage ist auch, wann ein vom BGH bezeichneter Ausnahmefall nach § 242 BGB gegeben ist (dazu Langenberg, NJW 2008, 1269 (1274); Schmid, DWW 2008, 162). Hier wird vertreten, dass sich aus den Formulierungen des BGH ableiten lasse, dass ein ?normaler? Mieterwechsel nicht ausreiche, um das Abflussprinzip auszuschließen (Schmid, DWW 2008, 162). Nur wenn innerhalb kurzer Mietzeit erhebliche Kosten entstünden, die mehrere Abrechnungszeiträume betreffen, läge ein Ausnahmefall im Sinne des BGH vor (Schmid, DWW 2008, 162 [163]). In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass der Mieter darlegen müsste, wann bei einem Mieterwechsel erhebliche Unterschiede vorlägen, die dem Vermieter eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip verwehren (Lützenkirchen, MietRB 2008, 129 u. 199).

3. Handlungsempfehlungen für Vermieter
Insgesamt erleichtern die Entscheidungen vor allem die Betriebskostenabrechnung bei Eigentumswohnungen. Denn in diesen Fällen werden die Kosten vom WEG-Verwalter in der Regel nach dem Abflussprinzip ermittelt. Angesichts der dargestellten offenen Fragen sollten Vermieter und Verwalter nicht vorschnell handeln oder ihre Abrechnungspraxis umstellen.

Bis weitere Fragen von der Rechtsprechung geklärt sind, ist Folgendes zu empfehlen:

1. die Betriebskostenabrechnung weiterhin nach dem Leistungsprinzip zu erstellen (Lützenkirchen, MietRB 2008, 129 u. 199),

2. die Heizkostenabrechnung nach dem Leistungsprinzip zu erstellen (Derckx, NZM 2008, 394 (395); a. A. Schmid, DWW 2008, 162 (163); offen gelassen von BGH, Urt. v. 30.04.2008 - VIII ZR 240/07, Rdnr. 16),

3. nicht ohne Weiteres vom Leistungsprinzip zum Abflussprinzip zu wechseln (Schach, GE 2008, 444 [445]),

4. im Falle eines Wechsels der Abrechnungsmethode von einer Abrechnung zur anderen dies jedenfalls in der Abrechnung zu erläutern,

5. falls einige Kostenpositionen nach unterschiedlichen Abrechnungsmethoden abgerechnet werden, ist auch dies zu erläutern (Schach, GE 2008, 444 [445]; Derckx, NZM 2008, 394 [395]).


RA Eric Lindner


Weitere Hinweise finden Sie im hier anliegenden pdf-Dokument.

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